Agile Coach – mehr als nur ein Vermittler agiler Prinzipien

05. August 2025

Die Rollen des Agile Coaches sind vielfältig: Berater, Trainer, Facilitator, Mentor, Organisationscoach (Change Agent), Team Coach und People Coach. Aber trotz dieser Vielfältigkeit wirken Agile Coaches eher unsichtbar.

Die Spitze des Eisbergs

Wenn „Außenstehende“ die Aufgaben eines Agile Coaches benennen sollen, dann fallen ihnen zum Beispiel die folgenden Dinge ein:

  • Vermittlung agiler Methoden wie Scrum oder Kanban.
  • Moderation von Meetings (Daily, Retrospektive, Reviews etc.).
  • Reflexionsprozesse mit dem Team.
  • Förderung von Teamzusammenhalt und Motivation.

Und obwohl es sich um wohlbekannte Aufgaben handelt, wird der benötigte zeitliche Aufwand durchaus unterschätzt. So nehmen beispielsweise die Konzeption und Aufarbeitung einer wertstiftenden Retrospektive mehr Stunden in Anspruch, als für die Durchführung dieses Termins benötigt werden. Hinzu kommt noch die Zeit, die für die Nachverfolgung der in der Retrospektive beschlossenen Maßnahmen benötigt wird.

Kiel des Eisbergs

So wie der unsichtbare Kiel des Eisbergs, also der Teil, der sich unter Wasser befindet und um ein Vielfaches größer ist als seine Spitze, gibt es für einen Agile Coach weit mehr unsichtbare als sichtbare Aufgaben. Und genau hier entwickelt ein Agile Coach seine größte Wirkung, wenn er im Hintergrund als Mentor, Coach und Change Agent handelt und für viele unsichtbar ist.

Wirkung eines Agile Coaches

Missverständnisse und Unzufriedenheit entstehen oft dadurch, dass Coachs keinen direkt messbaren Output liefern. Sie schreiben keinen Code, entwickeln keine Produkte und schließen keine Verträge ab. Doch sie schaffen ein Umfeld, in dem diese Dinge effektiver geschehen können. Sie arbeiten im Hintergrund, um Veränderungen zu fördern, Vertrauen aufzubauen und Wachstum zu ermöglichen.

Die Wirkung des Handelns eines Agile Coaches ist auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegt. Erfolge werden selten sofort sichtbar. Das nuancierte Handeln in einem häufig komplexen und emotional anspruchsvollen Umfeld erfordert von einem Agile Coach ein hohes Maß an Geduld sowie mitunter auch ein dickes Fell bei Widerständen und Missverständnissen.

Und obwohl ein Agile Coach in der Regel über keine disziplinarischen Befugnisse verfügt, muss er sich stets bewusst sein, dass sein Handeln sehr große Folgen für ein ganzes Unternehmen haben kann.

Change Agent

Als Change Agent ist ein Agile Coach eine zentrale Figur bei der Planung, Begleitung und Umsetzung von Veränderungsprozessen in Organisationen. Seine Wirkung zeigt sich vor allem in seinen strategischen, kommunikativen und vermittelnden Kompetenzen.

Er entwickelt maßgeschneiderte Strategien zur Teamentwicklung und Veränderung, wobei er kulturelle und strukturelle Gegebenheiten berücksichtigt und Coachingmaßnahmen gezielt anpasst. Das Ziel besteht darin, Veränderungen nicht nur zu initiieren, sondern sie nachhaltig zu verankern.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Einbindung von Führungskräften. Durch Vertrauen, Zustimmung und Überzeugungsarbeit schafft der Change Agent die nötige Grundlage für erfolgreiche Veränderungen. Dabei arbeitet er nicht nur teamintern, sondern wirkt auch über Teamgrenzen hinaus und betreibt aktives Beziehungsmanagement.

Ohne ein echtes „Commitment“ aus der Führungsetage bleiben agile Ansätze allerdings wirkungslos. Führungskräfte, die stark in traditionellen Managementlogiken verankert sind, müssen zunächst selbst verstehen, was agile Führung bedeutet und was sie loslassen müssen. Dieser Wandel braucht Zeit, Dialog und Fingerspitzengefühl.

Im Kontext agiler Transformation agiert ein Agile Coach als Brückenbauer zwischen Teams und Organisation. Er sorgt für eine gemeinsame Ausrichtung und fördert den Dialog zwischen verschiedenen Bereichen wie HR, Finance und Management. So gelingt es ihm, Silos aufzubrechen, bereichsübergreifende Veränderungsimpulse zu setzen sowie Zielkonflikte und Kommunikationsbarrieren abzubauen.

Seine Wirkung entfaltet er somit durch strategische Weitsicht, empathische Kommunikation und ein tiefes Verständnis für organisationale Dynamiken. Der Change Agent ist Impulsgeber, Vermittler und Begleiter auf dem Weg zu einer anpassungsfähigen, zukunftsorientierten Unternehmenskultur.

Team Coach und People Coach

Agile Frameworks wie Scrum oder SAFe haben sich in vielen Unternehmen etabliert. Der Wunsch, „agil zu arbeiten“, führt jedoch oft nur zu oberflächlichen Veränderungen: Es werden neue Meetings eingeführt, andere Tools genutzt und die Rollen umbenannt. Was dabei häufig vergessen wird: Agilität ist keine Methode, sondern eine Denkweise. Und diese erfordert tiefgreifende kulturelle Veränderungen.

Ein zentraler Auftrag von Agile Coachs ist es daher, agile Werte wie Selbstverantwortung, Transparenz und kontinuierliches Lernen nicht nur zu vermitteln, sondern auch nachhaltig im Arbeitsalltag zu verankern. Das gelingt nicht über Checklisten oder Prozesse, sondern durch individuelle Begleitung in Form von Mentorenschaft und Coaching im direkten Kontakt mit den Teammitgliedern. Dabei geht es um persönliche Entwicklung ebenso wie um das gemeinsame Lernen im Team.

Agilität entfaltet ihre volle Wirkung nicht durch Methoden, sondern durch Haltung, Kultur und echtes Miteinander. Der Weg dorthin ist zwar herausfordernd, aber lohnend.

Psychologische Sicherheit

Agilität, Innovation und Zusammenarbeit gedeihen nur dort, wo sich Menschen sicher fühlen. Nicht sicher im Sinne von Stabilität oder Kontrolle – sondern im tieferen Sinn: emotional sicher. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Teammitglieder sich trauen, ehrlich zu sein, Fehler zuzugeben, Kritik zu äußern oder um Hilfe zu bitten – ohne Angst vor negativen Konsequenzen.

Doch solche Offenheit entsteht nicht über Nacht. Teams öffnen sich nur langsam, besonders wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben oder von starker Hierarchie geprägt sind. Hier beginnt die Arbeit des Coachs: Er beeinflusst bewusst die Teamdynamik und fördert aktiv eine Kultur, in der Vertrauen wachsen kann.

Zentrale Hebel sind dabei Geduld, Konsequenz und Vorbildverhalten. Wer psychologische Sicherheit aufbauen will, muss sie vorleben – zum Beispiel, indem man eigene Fehler eingesteht, Unsicherheiten zulässt und respektvoll mit Kritik umgeht. Nur wenn Führungskräfte und Coachs selbst Verletzlichkeit zeigen, können Teams lernen, dass Offenheit erlaubt und erwünscht ist.

Auch das Gestalten sicherer Räume – etwa durch gut moderierte Retrospektiven und Feedbackgespräche – ist essenziell. Solche Formate sollten gezielt genutzt werden, um Reflexion zu fördern, ehrliche Meinungen einzuholen und Entwicklung zu ermöglichen.

Ein psychologisch sicheres Team ist mutiger, lernbereiter und resilienter. Doch der Weg dorthin braucht Zeit und bewusste Pflege. Wer diesen Raum schafft, legt den Grundstein für nachhaltige Zusammenarbeit und echte Veränderung.

Fazit: Der Agile Coach als unsichtbare Schlüsselfigur für nachhaltigen Wandel

Ein Agile Coach ist weit mehr als ein Methodentrainer oder Moderator agiler Meetings – er ist ein vielseitiger Gestalter kultureller und struktureller Veränderung. Seine Arbeit beginnt dort, wo Methoden an ihre Grenzen stoßen: bei der Entwicklung von Haltung, Vertrauen und echter Zusammenarbeit. Ein Großteil seiner Wirkung bleibt für Außenstehende unsichtbar, da sie im Beziehungsaufbau, der Veränderungsbegleitung und dem systemischen Coaching liegt.

Als Change Agent gestaltet er organisationale Transformationsprozesse strategisch, arbeitet mit Führungskräften an deren Rollenverständnis und verbindet Teams über Bereichsgrenzen hinweg. Gleichzeitig fördert ein Agile Coach als Team Coach und People Coach psychologische Sicherheit, begleitet individuelle Lernprozesse und lebt Offenheit, Fehlerkultur, Lernbereitschaft und Selbstreflexion aktiv vor.

Trotz fehlender disziplinarischer Macht beeinflusst sein Handeln die Entwicklung ganzer Organisationen. Seine Arbeit ist langfristig angelegt, subtil in der Wirkung – und dennoch von zentraler Bedeutung. Denn wo er Vertrauen schafft, Denkweisen verändert und Dialog ermöglicht, entsteht die Grundlage für agile Reife, echte Zusammenarbeit und nachhaltige Veränderung.

Aufgrund diffuser und teilweise auch widersprüchlicher Erwartungshaltungen muss ein Agile Coach aktiv Aufklärungsarbeit bzgl. seiner Rolle(n) leisten – und dies immer wieder.

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